Aktuelle Berichte

29.11.2016
Dr. Hanns Schulz-Mirbach

Nachruf für Reiner Basteck (1951 - 2016)

Anfang November 2016 ist Reiner Basteck, mein langjähriger Schachtrainingspartner und Mannschaftskamerad in der legendären Elften (HSK 11) des Hamburger Schachklubs, völlig unerwartet im Alter von 64 Jahren in Hamburg verstorben.
Reiner Basteck (1951-2016)
Reiner Basteck (1951-2016)


Reiner wurde am 22.12.1951 in Jarmen (Landkreis Vorpommern-Greifswald, Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, damals auf dem Staatsgebiet der DDR) geboren. In jungen Jahren ist er zusammen mit seinen beiden Eltern nach Hamburg gezogen. Der erste Wohnort der Familie war Rothenburgsort, wo sie 1962 von der großen Flut betroffen waren. Danach ist die Familie nach Billstedt gezogen. Reiner wohnte später in der Lorichsstr, in der Nähe des ehemaligen Vereinsheims des Hamburger Schachklubs im Margaretha-Rothe-Gymnasium. Nach dem Tod seiner Eltern ist er nach Rissen gezogen.

In Hamburg hat Reiner das Abitur abgelegt und danach seinen Zivildienst absolviert. Während seines Zivildienstes war er kurze Zeit verheiratet. Diese Ehe war unglücklich und wurde nach kurzer Zeit geschieden. Nach dem Zivildienst hat sich Reiner einige Zeit seinen künstlerischen Interessen, vor allem in der Musik, gewidmet. Aus der Zeit datiert seine Bekanntschaft mit Michael Kollars (dessen Sohn Dmitrij aktuell im HSK seine Schachkarriere verfolgt). Ein Kunststudium hat er nach einigen Jahren ohne Abschluss abgebrochen.

Bereits während seiner Studienzeit hat Reiner eine Tätigkeit bei der Deutschen Post aufgenommen. Dies hat sich nach Abbruch des Studiums in eine Vollzeittätigkeit entwickelt. Er begann in der Zustellung und hat im Zustellbezirk Neumarkt im Zentrum von Hamburg gearbeitet. Die dortige hohe Dichte von Kneipen und die Gastfreundschaft der Wirte haben die Arbeit ganz angenehm gemacht. Nach Feierabend gab es noch öfter Treffen im Restaurant Nagel an der Kirchenallee. Dieser gute Brauch wurde später auch mit der Betriebssportgruppe (BSG) Schach der Post fortgesetzt. Im Rahmen seiner weiteren Tätigkeit bei der Post ist Reiner in das Amt am Hühnerposten und später in das Briefverteilzentrum gewechselt. Im Jahr 2011 ist er bei der Post in den Vorruhestand getreten.

Über seine Tätigkeit bei der Post ist Reiner der damals von Rudolf Fritsch geleiteten Betriebssportgruppe (BSG) Schach der Post beigetreten. Rudolf war zu der Zeit Heimleiter der Lehrlingsschule der Bundespost. Zwischen ihm und Reiner entwickelte sich eine enge Freundschaft, die bis zu Rudolfs Tod 2012 andauerte. Neben den BSG Spielabenden im „Letzten Heller“ (dies war der Name des damaligen Postwohnheims) ist die Schach Betriebssportmannschaft auch regelmäßig zu Gastspielen in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel (Santa Fu) angetreten. Reiner hat sich über sein gesamtes Berufsleben und auch nach seinem Eintritt in den Vorruhestand stark für die Schachmannschaft (Transit Hühnerposten) im Betriebssport der Post engagiert. Er war als Spartenleiter in den BSG Gremien tätig und hat auch etliche Spieler aus verschiedenen Hamburger Schachklubs für Einsätze im Betriebssport begeistert.

Im Hamburger Schachklub (HSK von 1830 e.V. ) war Reiner Mitglied von 01.09.1982 bis 30.06.1993 und ab dem 15.07.1996. Von 1993 bis 1996 war er im Barmbeker Schachklub aktiv. Zum HSK ist er durch Rudolf Fritsch gekommen, mit dem er auch 1983 an Brett 1 der Mannschaft HSK 12 (von damals insgesamt zwölf HSK Mannschaften) seine erste Saison in der Hamburger Mannschaftsmeisterschaft (HMM) bestritten hat.
Ab der HMM Saison 1985 hat er dann in der legendären Elften (HSK 11) an Brett 2 gespielt.

Die legendäre Elfte HSK 11
Die legendäre Elfte HSK 11 (Aufnahme aus dem Jahr 2011): Hanns Schulz-Mirbach, Oliver Leube, Udo Figger, Kurt Kahrsch, Leon Tscherepanov, Christoph Bohn, Reiner Basteck, Rolf Puster (v.l.n.r.), Vorne: Helge Hedden


In diesen Jahren war Rudolf Fritsch Mannschaftsführer von HSK 11. Hier ist ein kurzer Auszug aus dem Jahr 1985 aus aktuell (der Vereinezeitschrift des Hamburger Schachklubs), geschrieben von Rudolf Seippel, mit der Überschrift „Unsere Elfte“

… An Brett 2 spielt Reiner „Jesus“ Basteck, der ebenfalls neu in der Mannschaft ist. Reiner, von Rudolf als „verkrachter Kunststudent und origineller Typ“ bezeichnet, ist schachlich vielversprechend. Vor zwei Jahren durchsprintete er die B- Klasse des Klubturniers mit 8/8, hat zuletzt ein halbes Jahr „voll gearbeitet“ und ist oder war „etwas raus“ – nichtsdestotrotz konnte er diesmal in der A-Klasse ganz anständig mitmischen.
… Brett 4 besetzt Kurt Kahrsch, Großhandelskaufmann, vormals Primarius der Zwölften, der den Wunsch äußerte, in die Elfte zu kommen..
… An Brett 5 der alte und neue Kapitän Rudolf Fritsch, ebenso Junglehrer ohne Anstellung und ohne Lust, ferner Doktorand der Philosophie. Am Brett ist er „friedfertig“, remisiert 75 bis 80% seiner Partien, was ihn nach den Ursachen von schachlichem Verhalten in der Persönlichkeitsstruktur forschen lässt. Dem Problem ist er „im Ansatz auf der Spur“.
... An Brett 6 denkt Udo Figger – Mitgliedern, die die Klubtätigkeit im Jugendbereich verfolgen, kein Unbekannter. Der angehende Chemiestudent ist in der SG HHUB zu Hause und bereichert die zu kleine Schar derer, für die Schach nicht vom Faktum des Weitergebens eigenen Wissens an die jüngeren Artgenossen trennbar ist. Rudolf sagt ihm schachlich weitere Entwicklung voraus.
Schachspieler rekrutieren sich aus allen denkbaren und undenkbaren Schichten und Zirkeln, dafür ist der nächste exemplarisch: Michael Kollars, ein international weitgereister Violinvirtuose. Mal Cleveland, mal Wilhelmsburg mit HSK 11. Dann wieder Bombay, Oakland… Für Michael bedeutet Schach nicht nur eine Abwechslung vom Alltag oder nur Spaß an der Freude, sondern er denkt auch über den künstlerischen Aspekt beim Spielen einer Partie nach.

Der legendären Elften ist Reiner dann in den folgenden Jahren treu geblieben. In seiner letzten Saison 2016 hat er an Brett 7 der Stammmannschaft gespielt und wollte in der Saison 2017 auf die Reserveliste gehen. Auch andere vorstehend erwähnte HSK Mitglieder wie Kurt Kahrsch und Udo Figger sind bis auf den heutigen Tag in HSK 11 beheimatet.
Von 1986 bis 1989 war Reiner Schachwart des Hamburger Schachklubs. Er hatte sich in der Jahreshauptversammlung 1986, in der Christian Zickelbein erstmalig zum Vorsitzenden gewählt wurde, bereiterklärt das Amt des Schachwarts zu übernehmen. Interessant ist dazu der folgende Auszug aus dem Protokoll der Jahreshauptversammlung 1986, aus dem gut die Beweggründe von Reiner zur Übernahme dieses Amtes zu ersehen sind.

…Der einzige Kandidat für den Posten des ersten Vorsitzenden in der Versammlung, Ch. Zickelbein, bekundet seine Abneigung sich „in einen Dienstleistungsbetrieb“ wählen zu lassen. Mit ihm bedauert die Versammlung die zu beobachtende Verödung des Vereinslebens. Ch. Zickelbein sucht in der Versammlung Mitglieder, die bereit sind, bei der Organisation von Veranstaltungen, mit deren Angebot der Vorstand seinen einzig möglichen Beitrag zur Belebung machen kann, behilflich zu sein. Rudolf Fritsch, Mitglied der elften Mannschaft, berichtet über die Aktivitäten innerhalb seiner Mannschaft, deren Zusammenhalt gut ist, und deren Aktivitäten gemeinsames Analysieren, auch mit einem Mentor aus der Leistungsspitze, Christoph Engelbert, Simultankämpfe der Mannschaft gegen Spieler der ersten Mannschaften, natürlich auch Blitzschach, ihren Mitgliedern das Gefühl intakten Vereinslebens geben. Er, Reiner Basteck sowie Nils Dettmann und Rita v.d. Haar stellen sich Christian Zickelbein zur Verfügung, der sich daraufhin bereiterklärt, den Verein zu leiten, und einstimmig zum ersten Vorsitzenden gewählt wird.
….
Nach großen Pausen und nachdem Ch. Zickelbein und Mitglieder des Vorstandes die Bereitschaft erklärt haben, etwa durch Einführung von Spieltagsbetreuern die auf diesem Posten anfallenden Aufgaben zu verringern, wird Reiner Basteck bei zwei Enthaltungen zum Schachwart gewählt. Der erste Vorsitzende dankt ihm für seine Bereitschaft anzupacken.

Ab 1987 habe ich mit Reiner einen festen wöchentlichen Termin am Freitagabend ab 19:00 Uhr für unsere gemeinsame Trainingspartie gehabt.

Die Freitags Trainingsgruppe (Aufnahme aus dem Jahr 2011): Reiner Basteck, Hanns Schulz-Mirbach (v.l.n.r.)
Die Freitags Trainingsgruppe (Aufnahme aus dem Jahr 2011):Reiner Basteck, Hanns Schulz-Mirbach (v.l.n.r.)

Gespielt wurde pro Abend eine Partie mit klassischer Bedenkzeit (2 h/40 Züge, danach 30 min für den Rest, mit mechanischen Garde Uhren). Die erste Partie datiert vom 14.07.1987 (Basteck – Schulz-Mirbach, 0,5 – 0,5). Die letzte Partie wurde am 26.08.2016 gespielt (Schulz-Mirbach – Basteck 1 - 0). Insgesamt gab es 353 Partien (davon 62 mit einem Sieg von Reiner, 90 mit einem Sieg von Hanns und 201 Unentschieden). Die ersten Partien wurden im Vereinsheim des Hamburger Schachklubs (damals verbunden mit dem HSV) in der Rothenbaumchaussee ausgetragen, danach in den provisorischen HSK Spiellokalen im Margaretha-Rothe-Gymnasium und am Holsteinischen Kamp und schließlich im HSK-eigenen Vereinsheim in der Schellingstraße 41.

Neben der gemeinsamen Analyse nach der Partie haben wir auch oft über andere Themen aus Reiners breiten Interessengebieten gesprochen. Als Beispiele seien hier genannt die Verbindung von Mathematik und Zwölftonmusik, Musikkomposition auf dem Computer sowie Trainingsmethodik auf dem Rennrad und die Vorbereitung auf einen Marathonlauf. Reiner war in jüngeren Jahren sehr aktiv in der Leichtathletik und hat auch mehrere Marathonläufe absolviert; später ist er auf das Rennrad umgestiegen und hat etliche Trainingskilometer mit seinem HSK 11 Mannschaftskameraden Christoph Bohn absolviert.

Ich bin dankbar für die gemeinsam mit Reiner verbrachte Zeit. Schachlich habe ich viel von ihm gelernt und seine gelassene sowie optimistische Lebenssicht waren für mich richtungsweisend. Reiner war ein liebenswerter Mensch und mir ein guter Freund. Er fehlt mir sehr.


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